Showdown in Maranello

Essen hält bekanntlich Leib und Seele zusammen – besonders mittags. Auf Oldtimerreisen oder-ausfahrten spielt die Mittagspause eine zentrale Rolle. Hier sitzen alle Teilnehmer endlich mal zusammen und können sich nach Herzens Laune über die Route, die Erlebnisse der Fahrt oder auch über die Qualität der Organisation austauschen. Natürlich ist vom Parkplatz für die Boliden bis hin zum Tisch oder Saal –je nach Größe der Gruppe- alles reserviert. Und das möglichst garniert von leckeren, landestypischen Speisen und Getränken – natürlich pünktlich vorbestellt. Doch trotz bester Organisation und akribischer Vorbereitung läuft es manchmal ganz anders als geplant.

In Maranello dreht sich alles um Ferrari.

Fangen wir ganz vorne an. Gut drei Monate vor meiner ersten Oldtimerreise an den Gardasee starte ich meine letzte Vorbereitungstour dort. Auf dem Plan steht etwas ganz Besonderes: von Bardolino über gut 150 Kilometer Landstraße zu Ferrari nach Maranello. Dann gut zu Mittag speisen, das Ferrari Museum in aller Ruhe erkunden und dann auf schnellstem Weg wieder retour zum Lago – ein Tag im Zeichen des Cavallino Rampante.

Früh bin ich aus den Federn und mache mich auf den Weg. Straßenkarte auf dem Beifahrersitz, das Diktiergerät am Schlüsselband am Hals, die Uhr im Blick und das Navi im Anzeigemodus, damit ich immer genau weiß, wo ich gerade bin. Klappt auch alles wunderbar und gegen Mittag bin ich im Mekka der Roten (nicht politisch, sondern automobilistisch).

Das Museum für den Gruppenbesuch ist schnell klar gemacht. Zum Mittagessen einkehren möchte ich gut 700 Meter entfernt im Restaurant „Drake“, quasi direkt gegenüber der Chiesa Parrocchiale di San Biagio Vescovo, wo die Glocken bei einem Sieg von Ferrari in der Formel 1 läuten. Daneben fällt der Blick von der Restaurant-Terrasse auf den kleinen Kreisverkehr mit dem „Springenden Pferd“ in der Mitte.

Sogar ein Lancia Beta Coupé verschönert noch den Ausblick auf die Kirche.

Das „Drake“ ist nicht nur ein beliebtes Touristen-Lokal, auch die Mitarbeiter von Ferrari kommen hier gerne zur Mittagspause. Okay, die Reservierung für meine Oldie-Gruppe ist nach dem typischen italienischen Hin und Her reine Formsache. Um sicher zu gehen, gibt mir die freundliche Dame an der Reservierung eine Visitenkarte mit einer speziellen Emailadresse, über die ich bitte mit dem „Drake“ korrespondiere. Wow, das hat echt Klasse. Der Austausch von Informationen und aktuellen Änderungen über diesen „Spezial-Kanal“ funktioniert auch einwandfrei. Wunderbar, Maranello wir kommen, alles ist vorbereitet. Was soll jetzt noch schiefgehen? Denkste, da hast du die Rechnung mal wieder ohne den Wirt gemacht!

Prosecco macht einfach gute Laune.

Drei Monate später spaziere ich frohgemut mit meiner Reisegruppe im Rücken ins „Drake“ und kündige freudestrahlend die Gruppe aus Deutschland an. Kein „Hallo“, keine freundliche Begrüßung vom Restaurant-Chef, der nur kurz angebunden fragt: „Welche Gruppe? Eine Gruppe ist für heute Mittag nicht angemeldet. Und das Restaurant ist voll.“ Unausgesprochen sagt er: „Schleicht euch. Ihr stört.“ Showdown zwischen Organisator und Restaurant-Chef. Wer überlebt?

Mir entgleisen alle Gesichtszüge. Das darf doch nicht wahr sein! Aber halt, da war doch die Spezial-Emailadresse. Ich zücke die Visitenkarte, die ich bei meinem vorangegangen Besuch erhielt, und erkläre dem Kollegen Restaurant-Chef, dass ich für heute reserviert habe. Obwohl es in mir kocht, bleibe ich äußerlich cool, sachlich und freundlich. Dafür entgleisen jetzt meinem Gegenüber alle Gesichtszüge. Realtime realisiert er, dass im „Drake“ wohl etwas ganz schief gelaufen ist. Und jetzt? Die Bude ist voll, daran kann auch seine späte Erkenntnis nichts ändern.

„Okay“, flüstert er mir zu, „ich brauche zehn Minuten, um die Tische für deine Gruppe zu richten. Bis dahin gibt es in der Bar Prosecco für alle – aufs Haus.“ Das nenn ich mal eine lösungsorientierte Herangehensweise. Showdown ala Maranello: keine Verletzten – nur Gewinner! Ich liebe Italien seitdem noch ein wenig mehr und lotse die Gruppe in die Bar, die Korken knallen und alle haben beste Laune. Wunderbar, aber was kriegen wir jetzt aufgetischt? Die hatten uns offenbar überhaupt nicht auf dem Radar.

Die Schaumwein-Flöten sind noch nicht ganz geleert, da werden wir auch schon auf die frisch eingedeckte Terrasse gebeten. Und was dann auf den Tisch und die Teller kommt, ist schier unbeschreiblich – lecker und es will gar nicht aufhören. Eine Delikatesse folgt der anderen, frisch, regional und einfach köstlich. Wie die Köche dieses sicherlich improvisierte, aber zauberhafte Menü hinbekommen haben, ist mir bis heute ein Rätsel. Aber ich muss ja auch nicht alles wissen.

Am Ende ist alles wieder einmal gutgegangen. Dank bester italienischer Improvisationskunst. Ehrlich, im Anschluss hatte es das Ferrari-Museum schwer, den Gaumenschmaus im „Drake“ zu toppen. Salomonisch sage ich mal: Remis!

Ach ja, einen hab ich noch. Der clevere Restaurant-Chef wollte mir nicht glauben, dass wir Michael Schumacher in unseren Reihen hatten wir. Hatten wir tatsächlich, aber nicht den „Schumi“!

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2 Kommentare

  1. 👍👍👍Sehr schönes Erlebnis,aber so kenne ich dich.Klasse wie du das alles machst und so toll beschrieben hast.

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