Erst Namlos, dann sprachlos
Mittagspausen sind bei einer Oldtimerreise immer ein Quell reiner Freude. Wenn die Organisation klappt und das Essen schmeckt. Das ist aber leider nicht immer so. Besonders herausfordernd ist es für den Organisator, wenn die Panne völlig unerwartet und direkt vor den Gästen passiert.
Aber der Reihe nach. Von Oberammergau starteten wir in gemütlicher Runde in Richtung Garmisch-Partenkirchen und weiter nach Ehrwald. Immer schön durch die wunderbare Zugspitz-Arena rüber nach Österreich. Von Lermoos die Fernpassstraße ein kleines Stück zurück Richtung Reutte bis ins beschauliche Bichlbach. Eine einsame und schön geschwungene Landstraße führt nach Berwang, wo das Tiroler Namlostal beginnt.

Das Namlostal, ein Seitental in den Lechtaler Alpen, erstreckt sich über eine Länge von rund 30 Kilometer von Berwang nach Stanzach am Lech und führt durch eine malerische Berglandschaft. Bis heute ist dieses idyllische Stückchen Erde ein Geheimtipp für Naturliebhaber und Ruhesuchende – und natürlich „Fahr dich glücklich-Gruppen“!
Auf etwa 1.260 Metern Höhe führt die Berwang-Namloser Landstraße durch das Tal und bietet eine landschaftlich reizvolle Strecke mit ganz wenig Verkehr. Blühende Almwiesen und Sehenswürdigkeiten wie der Rotlechwasserfall in Rinnen laden zum Verweilen ein. Bald erreichen wir die kleine Gemeinde Namlos mit rund 100 Einwohnern und einem Gasthaus. Erste Pause mit dem zweiten Kaffee draußen in der warmen Vormittagssonne – das Leben kann so schön sein!

Hier sind wir noch abseits des Massentourismus in den Alpen. Bei der Fahrt durch das bildschöne Tannheimer Tal, vorbei am Postkartenmotiv Haldensee, ändert sich dieses Bild schon ein wenig. Nichtsdestotrotz steuern wir frohgemut und auch schon ein wenig hungrig die geplante Mittagspause in Pfronten an.

Zielstrebig biegen wir auf den Parkplatz des reservierten Gasthofes ein. Komisch, absolut leer, kein anderes Auto parkt hier. Positiv denken „Man muss auch schon mal Glück haben!“. Denkste. Während sich die Gäste noch fröhlich unterhalten und die frischen Eindrücke verarbeiten, versuche ich den Gastraum zu betreten – vergeblich. Abgeschlossen. Aber am Tresen brennt Licht und auf mein ungeduldiges Klopfen an der Tür zum vermeintlichen Mittagessen, öffnet eine Angestellte mit dem Worten: „Wir öffnen erst um 17 Uhr!“ „Aber ich habe eine vom Chef bestätigte Gruppenreservierung für heute Mittag, die vor drei Tagen nochmal per Email bestätigt wurde“, kontere ich. Darauf zuckt die junge Dame nur mit dem Schultern, drückt mir mit den Worten „Da hat der Chef uns mal wieder nicht Bescheid gegeben“ zum Trost ein Flasche Bier in die Hand, drückt die Tür zu und schließt ab. Da war ich erst Namlos, jetzt sprachlos.

Von dieser einzigartigen Episode kriegen die Gäste nichts mit. Ich blicke verzweifelt um mich. Und genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein großes Hotel mit Terrasse in der Sonne. „Die Rettung“ jubele ich schon innerlich – jedoch etwas voreilig. Schnell ist die Gruppe umdisponiert, zwei große Tische auf der leeren Terrasse belegt und jetzt sollte doch in diesem guten Haus dem leckeren Mittagessen nichts mehr im Weg stehen oder?
Vorsichtshalber eile ich in das Restaurant und treffe auf einen einsamen Ober. Draußen sind gut 20 hungrige Oldtimerfahrer und möchte bei Ihnen zu Mittag essen. Kein Problem, oder? Der gute Mann schaut mich an und fragt: „Sind Sie Hausgäste?“ Nein, albere ich, wir sitzen auf der Terrasse. „Bitte haben Sie Verständnis, wir haben heute Abend eine große Feier und eigentlich geschlossen“, antwortet er seelenruhig. Er bemerkt aber auch, wie ich meinen neuerlichen inneren Schockzustand kaum verbergen kann. „Warten Sie bitte einen Augenblick, ich rede mal mit der Küche“, versucht er mich zu beruhigen. Eine für mich gefühlte Ewigkeit später kehrt er lächelnd aus der Küche zurück mit den Worten: „Wir kriegen das hin, aber nur mit einer kleinen Karte.“ Und wenn es nur für alle Kartoffelsalat mit Würstchen gegeben hätte, wäre ich dem freundlichen Retter des Mittagessens am liebsten um den Hals gefallen. Der Mann hat sein Trinkgeld redlich verdient! Ach ja, die kleine Karte umfasste dann auch nur 20 Seiten! Erst Namlos und schon wieder sprachlos.

Und um diese wahre Geschichte abzurunden, darf ich versichern, dass es allen auch noch vorzüglich geschmeckt hat. Auch mir, dem zwischenzeitlich mehrmals der Appetit vergangen war.