Schnell – Schneller – Eiliges Rheinland

Ich bin bekennender Rheinländer. Das hört man. Der rheinische „Singsang“ gehört zu mir wie der Dreizack zu Maserati. Auf den ersten Blick wird das Rheinland gerne mit Frohsinn, Heiterkeit und Karneval assoziiert. Weit weniger bekannt sind die Wurzeln des deutschen Motorsports, die im Rheinland liegen. Als bekennender Rheinländer möchte ich euch davon erzählen.

Autos werden in Deutschland eher südlich oder nördlich vom Rheinland gebaut. Lassen wir hier einmal die Ford Werke in Köln-Niehl als berühmte Ausnahme von der Regel zu. Als Tochter des amerikanischen Mutterkonzerns legten die Fords 1925 in Deutschland erst in Berlin mit dem Autobau los, ehe sie vier Jahre später 1929 an den Rhein umzogen.

Die stolzen Sieger der Eifelrundfahrt 1922. (Foto: unbekannt / Wikimedia Commons)

Und doch hat sich das Rheinland schon früh als Region der „schnellen“ Männer und Frauen hinter dem Lenkrad einen legendären Ruf in aller Welt erworben. Die Initialzündung war 1922 die Eifelrundfahrt rund um Nideggen, dem direkten Vorläufer des Eifelrennens auf dem Nürburgring, der 1927 in der Eifel bei Adenau eröffnet wurde. Ausgetragen wurde die Eifelrundfahrt unter heute als abenteuerlich zu bezeichnenden Bedingungen. Auf einem 33,2 km langen Rundkurs auf öffentlichen Schotterstraßen, der von Nideggen aus über Wollersheim-Vlatten-Heimbach-Hasenfeld-Schmidt-Brück zurück nach Nideggen führte, galt es pro Runde 86 Kurven zu meistern und einen Höhenunterschied von 265 m zu überwinden. Noch heute lässt sich der nun komplett asphaltierte Rundkurs der historischen Eifelrundfahrt auf öffentlichen Straßen noch größtenteils im Original nachfahren. Der MSC Burgring Nideggen veranstaltet am 19./20. Juli in diesem Jahr wieder eine Eifelrundfahrt im Stil von 1922 für Vorkriegsrenn-, Sport- und Tourenwagen und -Motorrädern bis Baujahr 1939. www.eifelrundfahrt1922.de

Rudolf Caracciola in Aktion. (Foto: Le Miroir des sports / Wikimedia Commons)

In Nideggen blieb der junge Rudolf Caracciola 1922 noch sieglos. Doch fünf Jahre später entschied der Sohn eines Remagener Hoteliers das erste Autorennen auf dem damals neuen Nürburgring für sich. Rudolf „Karratsch“ Caracciola war der erfolgreichste deutsche Automobilrennfahrer vor dem Zweiten Weltkrieg. Übrigens arbeitete „Karratsch“ auch als Verkäufer des Aachener Automobilbauers Fafnir. Caracciola begann seine mehr als 30 Jahre lange Rennfahrerkarriere auf dem Motorrad. 1926 gewann er auf einem Mercedes überraschend unter widrigen Wetterbedingungen den ersten Großen Preis von Deutschland auf der Berliner Avus. Damit ging der Stern des ersten Rennfahrer-Idols aus dem Rheinland auf.

Hotel & Rennwagen – die Caracciolas aus Remagen. (Foto: Mannnnn / Wikimedia Commons)

Caracciola siegte fast ausschließlich auf Mercedes-Benz in zahlreichen Grand-Prix- und Sportwagenrennen. So gewann er sensationell als erster Nicht-Italiener 1931 die Mille Miglia in Italien. Während der berühmten Silberpfeil-Ära (1934–1939) wurde er dreimal Europameister, was mit dem heutigen Formel-1-Weltmeister-Titel vergleichbar ist. Besonders im Regen galt Caracciola als schneller und sicherer Fahrer, was ihm die Bezeichnung „Regenmeister“ einbrachte. 1952 endete seine Rennsport-Karriere nach einem schweren Unfall in der 13. Runde und einen dreifachen Bruch des linken Unterschenkels auf der Schweizer Bremgarten-Rundstrecke bei Bern.

Doch nicht nur schnelle Jungs kommen aus dem Rheinland. Auch die Mädels haben hier einen schweren rechten Fuß. Ellen Lohr, die gebürtige Mönchengladbacherin, ist die erste Dame, die in der äußerst umkämpften DTM erfolgreich ist. Wie viele ihrer männlichen Konkurrenten steigt sie über das Kart in den Motorsport ein. Zwischen 1979 und 1983 bringt sie es zu einer Teilnahme an der Junioren-Weltmeisterschaft und einem Sieg in der nordwestdeutschen Landesmeisterschaft.

Ellen Lohr unterwegs in der DTM. (Foto: Martin Lee, London / Wikimedia)

Nach Einsätzen in der Formel Ford 1600, in der sie 1987 die Deutsche Meisterschaft holt, und ersten Engagements bei der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft und der Deutschen Formel-3-Meisterschaft in den Jahren 1989 und 1990 bekommt Ellen Lohr für die Saison 1991 einen festen Platz im AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II DTM.

Auch im Truck ist Ellen Lohr (25) nicht zu bremsen. (Foto: Carlos Delgado / Wikimedia Commons)

In der DTM glänzt sie fortan mit einer Reihe guter Platzierungen sowie 1992 einem Sieg beim Rennsport-Festival in Hockenheim. Ab 1997 ist Ellen Lohr bei einer Vielzahl unterschiedlicher Rennserien unterwegs, wie bei Truck-Rennen oder der Rallye Dakar.

Die Aachenerin Claudia Hürtgen war ebenfalls viele Jahre in unterschiedlichen Rennsportkategorien erfolgreich. Im Deutschen Formel Ford 1600 Championat wurde sie 1991 Vizemeisterin. Den Meistertitel in der „Deutschen Tourenwagen Challenge“ holte Hürtgen 2003 und wiederholte ihr Vorjahresergebnis ein Jahr später mit dem Meistertitel in der Division I der Deutschen Produktionswagen Meisterschaft. Erfolgreich startet sie auch in Monaco beim Historischen Grand Prix, wo sie Stammgast auf dem Siegertreppchen ist.

Claudia Hürgen beim Historischen Grand Prix in Monaco.

Jedoch den wohl bis heute größten Einfluss auf die Rennfahrer-Region Rheinland hatte Wolfgang Graf Berghe von Trips. Der Nachkomme eines der ältesten niederrheinischen Adelsgeschlechter war Mitbegründer des Deutschen Sportfahrerkreises (DSK) und brachte Karts aus den USA nach Deutschland mit. Damit legte er den Grundstein einer kontinuierlichen Nachwuchsförderung, auf die am Ende mit Michael Schumacher auch ein siebenfacher Formel 1-Weltmeister Jahrzehnte später zurückgeht. Der Heimatverein von Michael und Ralf Schumacher ist heute nach ihm benannt (Wolfgang Reichsgraf Berghe von Trips e. V., Kart-Club Kerpen-Manheim im DMV). Grand Prix-Sieger wie Heinz-Harald Frenzen, Formel 1-Pilot Nick Heldfeld (beide Mönchengladbach) und der Vierfach-Champion Sebastian Vettel erlernten ihr „Rennwerk“ in der alten Kiesgrube bei Kerpen. Und wie Caracciola galt Michael Schumacher als besonders sicherer Regenfahrer – vielleicht weil es uns gerne regnet.

„Taffy“ bei seinem Formel1-Debüt 1957 in Argentinien. (Foto: Carlos Alberto Navarro / Wikimedia Commons)

Am 13. Januar 1957 absolvierte von Trips beim Grand Prix von Argentinien in Buenos Aires sein Formel-1-Debüt. Bereits in seinem dritten Grand Prix im italienischen Monza, holte er sich hinter Stirling Moss und Juan Manuel Fangio den dritten Platz. Die Briten gaben ihm in dieser Zeit den Spitznamen „Taffy“, sonst eine speziell auf Waliser gemünzte Bezeichnung eines harten (engl. tough; sprich: taff) Burschen. 1961 hatte die Scuderia Ferrari nach Regeländerungen das überlegene Fahrzeug und „Taffy“ gewann seine ersten F1-Rennen. Als Führender der WM-Wertung, der zum Gewinn der Weltmeisterschaft nur noch einen einzigen Sieg benötigte, reiste er zum Großen Preis von Italien nach Monza. Dort sollte es zur Katastrophe kommen. Wolfgang Graf Berghe von Trips verunglückte hier nach einer Kollision mit Jim Clark in der zweiten Runde bei der Anfahrt zur Parabolica-Kurve tödlich. In dieser „schwarze Stunde der Formel 1“ schleuderte der Ferrari von Trips auf den seitlichen Erdwall der Geraden vor der Kurve und riss 15 Zuschauer mit in den Tod. 60 weitere Menschen wurden verletzt.

Von Trips 1961 beim Grand Prix der Niederlande. (Foto: Harry Pot / Wikimedia Commons)

Nach dieser Tragödie dauerte es knapp ein Jahrzehnt, ehe mit Rolf Stommelen wieder ein Rheinländer in der Formel 1 an den Start ging. Stommelens Formel-1-Karriere begann 1970. Als Fahrer bei Brabham holte er unter anderem einen dritten Platz beim Großen Preis von Österreich. 1975 führte er beim Großen Preis von Spanien auf dem gefährlichen Montjuïc-Stadtkurs in Barcelona. Nach 25 Runden brach der Heckflügel seines Hill GH1. Bei dem daraus resultierenden Unfall starben fünf Zuschauer und Streckenposten; Stommelen selbst wurde schwer verletzt. Zwei Jahre später gelang ihm das Comeback mit dem Sieg in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft auf Porsche. Darüber hinaus folgten drei weitere Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Daytona. Doch auch das Leben von Rolf Stommelen endete bei einem Unfall. Am 24. April 1983 verunglückte er beim 6-Stunden-Rennen von Riverside 1983 in Kalifornien tödlich.

Rolf Stommelen im Loos Porsche. (Foto: Lothar Spurzem / Wikimedia Commons)

Zwei weitere ganz schnelle und große Rheinländer haben ihre Rennsport-Karriere glücklicherweise überlebt. Der Roisdorfer Klaus Ludwig gilt als Deutschlands erfolgreichster Tourenwagenfahrer und wird auch gerne „König Ludwig“ gerufen. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen bestritt er nie ein Formel-1-Rennen. Jeweils drei Mal trug sich Klaus Ludwig in die Siegerliste des 24-Std.-Rennen von Le Mans und des 24-Std.-Rennen am Nürburgring ein. Die Titel Deutscher Rennsport-Meister 1979 und 1981, Deutscher Tourenwagen Meister 1988, 1992 und 1994 sowie FIA GT-Weltmeister 1998 komplettieren seine Erfolge.

Klaus Ludwig vor Team-Partnerin Ellen Lohr. (Foto: Martin Lee, London / Wikimedia Commons)

Auf genau 1.000 Renneinsätze blickt der Wegberger Hans Heyer zurück. Naja, wer seine Schulzeit im Internat in Adenau absolviert, der geht auch im Alter von 16 Jahren zum Rennenfahren in die Niederlande. Denn das ist Ende der 1950er Jahre in Deutschland noch verboten. Wegen seiner zahlreichen internationalen Erfolge im Kart verlieh ihm der deutsche Bundespräsident 1970 das Silberne Lorbeerblatt, die höchste Auszeichnung für Sportler in Deutschland. In den 70er Jahren folgten dann drei Siege in der Deutschen Rennsport Meisterschaft und ein Gesamtsieg bei den 12-Stunden von Sebring in den USA. Unvergessen sind Heyers Markenzeichen, der Tirolerhut, und seine Auftritte speziell im DRM-Ford Escort, im Loos Porsche 935 und im Lancia Monte Carlo.

Ihr seht, um das Rheinland als Wiege des deutschen Motorsports zu bezeichnen, braucht es nicht unbedingt einen bekennenden Rheinländer, sondern eines genauen Blickes in die Historie. Und über das wohl schnellste Brüderpaar der Motorsportgeschichte, Michael und Ralf Schumacher aus Kerpen, habe ich noch gar nicht gesprochen. Warum? Ich könnte euch über die beiden wohl kaum etwas Neues erzählen…

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