Das 24-Stunden-Rennen von Spa: Ein Jahrhundert-plus-1 Motorsportgeschichte
Vom 25. Bis 29. Juni findet in diesem Jahr die 77. Ausgabe des 24 Stunden-Rennens von Spa-Francorchamps statt. Und es wird nicht irgendeines in der langen Geschichte dieses Langstrecken-Klassikers, sondern ein ganz Besonderes: 2025 wartet das Rennen auf der Ardennen-Achterbahn mit dem größten Teilnehmerfeld seiner Geschichte auf: 76 GT3-Boliden von zehn verschiedenen Herstellern werden um den prestigeträchtigen Sieg beim Saisonhöhepunkt der GT-World-Challenge Europe kämpfen.

Diese Woche standen bei bestem Frühlingswetter die Testfahrten auf dem Programm. Schon dieser „Prolog“ genannte Auftakt zeigte, wie schnell und wie knapp es in diesem Jahr in Francorchamps zugehen wird. Alle Prolog-Teilnehmer, es waren gut 60 Rennwagen, bewegten sich bei den schnellsten Rundenzeiten am ersten Testtag innerhalb von knapp zwei Sekunden. Und da das gesamte Spektakel so spannend ist, haben mein Freund Axel und ich den Prolog besucht – und genossen. Tja, da bleibt ein Blogbeitrag mit Blick in die Geschichtsbücher nicht aus. Und ein Video von der Action gibt es auch https://youtu.be/ZyNUTaiD4t4




Alles begann 1924
Das 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps gehört zu den bedeutendsten Langstreckenrennen im internationalen Motorsportkalender. Seit 1924 ausgetragen, ist es nur ein Jahr jünger als das bekannte Pendant in Le Mans und hat im Laufe der Jahrzehnte eine eigene Identität entwickelt. Der Austragungsort in den belgischen Ardennen stellt Mensch und Maschine vor besondere Herausforderungen und hat zahlreiche Kapitel Motorsportgeschichte geschrieben.
Die Entstehung einer Legende
Die Initiative für das Rennen ging von zwei ehemaligen Rennfahrern aus der Region aus: Jules de Their und Henri Langlois Van Ophem. Sie setzten sich für die Etablierung eines 24-Stunden-Rennens auf einem 14,863 Kilometer langen Straßenkurs ein, der die Ortschaften Francorchamps, Malmedy und Stavelot verband. Am 19. und 20. Juli 1924 fand unter der Organisation des Königlichen Automobil Clubs Belgien die erste Auflage statt.




Den ersten Eintrag in die Siegerliste sicherten sich die Franzosen Henri Springuel und Maurice Béquet auf einem Bignan mit 2,0-Liter-Motor. Von Beginn an zeichnete sich das Rennen durch wechselhaftes Wetter, anspruchsvolle Streckenführung und internationale Beteiligung aus. In den 1930er Jahren prägte besonders Alfa Romeo das Geschehen und konnte zwischen 1929 und 1938 fünf Siege verbuchen.
Eine Strecke im Wandel der Zeit
Die Geschichte des Rennens ist eng mit der Evolution der Strecke verbunden. Aus Sicherheitsgründen wurde der Circuit de Spa-Francorchamps mehrfach modifiziert. Eine einschneidende Änderung erfolgte 1979, als die Strecke auf 6,976 Kilometer verkürzt wurde, nachdem der ursprüngliche Kurs als zu gefährlich eingestuft worden war. Die aktuelle Variante bewahrt dennoch den Charakter mit schnellen Kurven wie der berühmten Eau Rouge oder Blanchimont und bleibt für das unberechenbare Ardennenwetter bekannt.

Im Laufe der Zeit war das Rennen in verschiedene Meisterschaften integriert. Von 1966 bis 1988 zählte es zur Tourenwagen-Europameisterschaft und in den Jahren 1953 sowie 1981 zur Sportwagen-Weltmeisterschaft. Die Bandbreite der teilnehmenden Fahrzeuge reichte vom kompakten NSU Prinz TTS bis zum leistungsstarken Mercedes-Benz 300 SEL 6.3, der 1971 als „Rote Sau“ große Aufmerksamkeit erregte. Der von AMG modifizierte Luxuswagen mit seinem imposanten 6,3-Liter-V8-Motor und der markanten roten Lackierung kam ursprünglich auf 250 PS, wurde aber für den Renneinsatz auf über 400 PS aufgerüstet. Trotz seines hohen Gewichts von rund 1.635 Kilogramm gelang Hans Heyer und Clemens Schickentanz mit diesem ungewöhnlichen Rennfahrzeug ein beachtlicher zweiter Platz in der Gesamtwertung. Die „Rote Sau“ wurde zu einem Symbol für unkonventionelle Ansätze im Motorsport und begründete den Ruf von AMG als Tuningpartner für Mercedes-Benz.



BMW: Die Rekordsieger von Spa
In der langen Historie des Rennens sticht ein Hersteller besonders hervor: BMW. Mit 25 Gesamtsiegen in 100 Jahren (Stand 2024) führt die Marke aus München die Erfolgsliste an. Den Grundstein für diese Bilanz legte BMW 1965, als Pascal Ickx (Bruder von Jacky) und Gérard Langlois den ersten Sieg für den bayerischen Hersteller einfuhren.
In den 1970er und 1980er Jahren prägten BMW-Coupès wie der 3.0 CSL, der 635 CSi und später der M3 das Geschehen in Spa. Eine besondere Note erhielt das Rennen 1992, als fünf Werks-BMW von drei verschiedenen Teams um den Sieg kämpften und den engsten Zieleinlauf in der Geschichte des Rennens erzielten.

Auch in der modernen GT3-Ära bleibt BMW erfolgreich: Teams wie ROWE Racing und das BMW M Team WRT verbuchten in den vergangenen Jahren wiederholt Siege und Podiumsplätze, zuletzt 2016, 2020 und 2023. Für 2025 plant BMW ein umfangreiches Aufgebot mit elf M4 GT3, darunter ein prominent besetztes Fahrzeug mit Valentino Rossi, Kevin Magnussen und René Rast und der legendären Startnummer 46 von Vale.

Die SRO als moderner Impulsgeber
In der jüngeren Geschichte des Rennens spielt die SRO Motorsports Group (Stéphane Ratel Organisation) eine zentrale Rolle. Als Organisator und Promoter hat sie das 24-Stunden-Rennen von Spa zu einem Fixpunkt im GT3-Kalender entwickelt.
Die SRO verantwortet die gesamte Durchführung – vom Zeitplan über die Auswahl der teilnehmenden Klassen bis zur Koordination der Rahmenserien. Seit 2011 ist das Rennen fester Bestandteil der von SRO organisierten GT-Langstreckenserien, darunter die frühere Blancpain Endurance Series (heute GT World Challenge Europe Endurance Cup) und die Intercontinental GT Challenge.

Das Rahmenprogramm wurde unter SRO-Leitung deutlich ausgeweitet. Fan-Paraden, Konzerte und weitere Aktivitäten machen das Rennwochenende zu einem umfassenden Motorsportereignis. 2023 verfolgten über 80.000 Zuschauer das Geschehen vor Ort, während Übertragungen das Rennen weltweit zugänglich machten.
Stimmen zum Rennen
Die besonderen Herausforderungen des 24-Stunden-Rennens von Spa spiegeln sich auch in den Aussagen der Fahrer wider. „Spa-Francorchamps ist eine Strecke, die keinen Fehler verzeiht. Bei Nässe und in der Nacht ist absolute Konzentration gefordert“, so der dreifache BMW-Sieger und langjährige Werksfahrer Hans-Joachim Stuck.
Philipp Eng, Teil des siegreichen Trios von 2023, betont den besonderen Stellenwert des Rennens: „In Spa zu gewinnen ist für jeden GT-Fahrer etwas Besonderes. Die Strecke hat einen einzigartigen Charakter und man braucht hier nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch Geduld.“
Nach seinem Erfolg 2020 fasste BMW-Werksfahrer Nick Yelloly die Herausforderung prägnant zusammen: „24 Stunden in Spa sind wie eine komplette Saison in einem Rennen – physisch und mental eine enorme Belastung, aber das macht den Sieg umso wertvoller.“
Der Blick zurück nach vorn
Das 24-Stunden-Rennen von Spa hat sich in seiner fast hundertjährigen Geschichte kontinuierlich weiterentwickelt. Von den Anfängen als regionales Straßenrennen bis zum heutigen Status als internationaler GT3-Klassiker spiegelt es die Evolution des Motorsports wider.

Die Herausforderung bleibt bestehen: 24 Stunden auf einer anspruchsvollen Strecke, oft unter wechselhaften Wetterbedingungen. Dies fordert von Fahrern, Teams und Fahrzeugen nach wie vor höchste Präzision, Ausdauer und strategisches Geschick.
Mit dem Eintritt in das zweite Jahrhundert seiner Geschichte behält das Rennen seine Bedeutung im Motorsportkalender. Die Kombination aus Tradition und moderner Organisation macht das 24-Stunden-Rennen von Spa zu einem Ereignis, das weiterhin Fahrer, Teams und Zuschauer in seinen Bann zieht.




