Unbekanntes Südfrankreich: Eine Fahrt über den Col de l’Espigoulier

Fahrtrichtung Auriol

Vorweg gestehe ich, dass ich den nördlichsten Teil der Côte d’Azur zwischen Marseille und Toulon wirklich mag. Bis heute ist er weniger mondän und weniger überlaufen als die französische Mittelmeerküste mit ihren Hotspots Cannes, Nizza und dem Fürstentum Monaco. Im Hinterland der Metropole Marseille, ein wenig landeinwärts vom Küstenort Bandol mit seiner langen Strandpromenade und der alten Hafenstadt La Ciotat findet ihr noch nahezu unentdeckte Strecken, die einfach wie gemacht sind für das Gefühl „Fahr dich glücklich“. Mit dem Col de l’Espigoulier entführe ich euch zum ersten dieser versteckte Straßenschätze.

Der Col de l’Espigoulier, mit 723 Metern der höchste Straßenpass im Département Bouches-du-Rhône in Südfrankreich, ist ein kleines Juwel für den fahraktiven Oldtimer- und Youngtimerfahrer. Eingebettet in die malerische Kulisse des Massif de la Sainte-Baume bietet der Pass atemberaubende Ausblicke auf Marseille und die Mittelmeerküste. Die kurvenreiche und spannende Strecke liegt etwa 20 Kilometer östlich von Marseille und verbindet die Orte Gémenos, Auriol und Plan-d’Aups-Sainte-Baume über die Département-Straßen D2 und D45A.

Kurvenreich, guter Asphalt und fast ohne Verkehr.

Mir persönlich gefallen die rund 25 kurvigen Kilometer aus dem Landesinneren in Richtung Mittelmeer, sprich, von Auriol nach Gémenos besonders gut. Ihr könnt die Tour natürlich auch anders herum fahren. Aber jeder hat so seine Vorlieben. Alternativ gibt es auch noch einen dritten Anstieg zum Col de l’Espigoulier, die Ostauffahrt von Saint-Zacharie: Diese Strecke führt über Plan-d’Aups-Sainte-Baume und ist insgesamt länger, mit variierenden Steigungsgraden.

Die „Fahr dich glücklich“-Strecke

Griffiger Asphalt für gute Kurvenlage. (Foto: Beate Richter)

Wir starten in Auriol, einem Ort rund zwölf Kilometer nördlich von Aubagne.  Von Aubagne aus kommend nehmen wir am ersten Kreisverkehr nach der Autobahn die Ausfahrt zur D45A. Reist ihr aus der anderen Richtung an, also über die D 560 aus Saint Zacharie, ist dies der erste Kreisverkehr in Auriol.

Passt euren Fahrstil einfach an die entspannte Lebensart der Südfranzosen an: Mit einem gemächlichen Tempo lassen sich so Landschaft und Straße optimal genießen. Häufige Stopps an Aussichtspunkten lohnen sich, um die reizvolle Szenerie auf sich wirken zu lassen.

Die Route führt zuerst durch eine waldreiche, idyllische und immer einsamer werdende Landschaft. Der Anstieg über die Nordseite beträgt etwa 13,8 Kilometer und überwindet einen Höhenunterschied von 520 Metern. Die gut ausgebaute Straße, die jedoch manchmal recht eng wird, besitzt eine angenehme, durchschnittliche Steigung von 3,8 %. Schon die Nordrampe bietet einige wunderschöne Panoramablicke. An Wochenenden sind ein paar Motorrad- und Fahrradfahrer unsere Begleiter, in der Woche brettert uns höchstens ein lokaler Handwerker mit seinem Transporter entgegen. Eine schöne und einsame Straße an der Côte d’Azur? Ja, hier habt ihr wirklich eine gefunden.

Blick auf das Massif de la Sainte-Baume.

Von der Passhöhe aus schlängelt sich die Straße spektakulär ins Tal nach Gémenos. Jetzt heißt sie D2 und wird zum Genuss für Fahrer und Beifahrer. Diese Abfahrt ist ein Highlight für alle, die Kurven mögen. Als diplomierter „Serpentinenschnüffler“ kann ich dies nur bestätigen. Mit 14 großzügigen Kehren, einer Länge von 11,3 Kilometern und einem Höhenunterschied von 570 Metern bietet diese Straße fahrerisch höchst vergnügliche Unterhaltung. Die gut asphaltierte Piste ist manchmal nur durch ein kleines Mäuerchen vom Abgrund getrennt, führt durch Pinienwälder und bietet immer wieder spektakuläre Aussichten auf die Küstenlandschaft. Unbedingt anhalten, die Aussichten genießen und bitte genügend Speicherplatz in Kamera oder Smartphone für die Fotos mitbringen.

Ein Peugeot 504 in voller Aktion am Col de l’Espigoulier.

Einen kleinen Film zur Fahrt über den Col de l’Espigoulier findet ihr hier beim Youtube-Kanal von Traumrouten https://www.youtube.com/watch?v=Wgkw8mY-_LU

Rallye- und Radsport

In französischen Rallyekreisen ist der Col de l’Espigoulier keine unbekannte Größe. Denn er zählt regelmäßig zu den Etappen nationaler Autorallyes. Ein prominentes Beispiel ist die „Rallye National de la Sainte-Baume“, bei der der Pass häufig als Wertungsprüfung dient. Die Strecke zeichnet sich durch eine rasante Auffahrt mit zunehmender Enge aus, wobei Felsen auf der einen und ein Geländer auf der anderen Seite die Fahrbahn säumen. Nach dem Passieren des Gipfels folgt eine beeindruckende Abfahrt, die zunächst schnell und technisch anspruchsvoll ist, dann von Haarnadelkurven unterbrochen wird und schließlich wieder in schnelle Passagen übergeht. Die großen schwarzen Striche auf dem Asphalt zeugen von späten Bremspunkten und brachialer Beschleunigung.

Und wie in Frankreich nicht wirklich überraschend, spielt der Col de l’Espigoulier auch eine Rolle im Radsport. Zuletzt war er 1993 Bestandteil der Tour de France. Heute wird der Pass regelmäßig in regionalen Radrennen und Veranstaltungen wie dem „Souvenir Jean Masse“ oder der „Cyclosportive Les Bosses du 13“ integriert.

Eine Bib Block Corvette C2 auf der Passhöhe.

Nach der „Fahr dich glücklich“-Abfahrt gönnt ihr euch und eurem Klassiker einfach eine Verschnaufpause in Gémenos, einem charmanten Dorf mit Cafés und Restaurants. Besser geht’s einfach nicht. Und danach ist es nicht mehr weit bis zur nächsten Strecke, die ihr nicht mehr vergessen werdet. Diesmal direkt an der Mittelmeerküste. Habt noch etwas Geduld. „Fahr dich glücklich“ geht weiter…

Zur Route kommt ihr hier https://kurv.gr/cgVZx

Screenshot: kurviger.de / openStreetMap

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert