Schau mir in die Augen
Es liegt wohl tief in uns Menschen, dass wir gerne etwas uns wohl Vertrautes in Dinge und Erscheinungsformen hinein interpretieren. Das mögen wir einfach. Und nicht nur Haustiere werden vermenschlicht. Beim Anblick eines Automobils agieren wir ähnlich. Vorne suchen wir ein Gesicht oder besser noch, das Gesicht mit den Idealproportionen. So, wie wir uns das schönste, schnellste, grimmigste, kindlichste, lustigste oder kernigste Gesicht vorstellen.
In den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts produzierte die Industrie subjektiv gefühlt deutlich mehr Charakterdarsteller für die Straße als heute, wo der Windkanal auch letzte Ecken und Kanten verbrauchsmindernd glättet. Oder Autos eher wirken wie zivilisierte Panzerwagen. „Schau mir in die Augen, Kleines“, mit diesen Worten verabschiedet sich der eher klein gewachsene Humphrey Bogart von der ihn in Wirklichkeit körperlich überragenden Lauren Bacall (aber das ist eine andere Geschichte) im Leinwandklassiker „Casablanca“. Ich habe für euch ein paar kleine und große automobile Augenpaare zusammengestellt, um an bekannte und eher unbekannte Charakterdarsteller auf vier Rädern zu erinnern.

Das Phänomen des „Gesichts“ bei Automobilen begann tatsächlich schon in den frühen Tagen der Automobilgeschichte. In den 1920er- und 1930er-Jahren, als Fahrzeuge wie der Ford Model T oder der Austin 7 die Straßen eroberten, war das Design noch stark von der Funktion geprägt. Doch schon damals begann man, den Kühlergrill und die Scheinwerfer so zu positionieren, dass sie nicht nur praktisch, sondern auch optisch ansprechend wirkten.

Strahlende Gesichter in Amerika
In den 1950er-Jahren, der Blütezeit des amerikanischen Automobildesigns, bekam das „Gesicht“ von Autos immer mehr Bedeutung. Modelle wie der Buick Roadmaster oder der Cadillac Eldorado wurden mit üppigen Chromgrills und markanten Scheinwerfern ausgestattet, die Prestige und Persönlichkeit ausstrahlten. Diese Ära war geprägt von Optimismus, Wachstum und Fortschrittsglauben – Werte, die sich auch in den oft breiten, strahlenden „Gesichtern“ dieser Fahrzeuge widerspiegelten.







In Europa sah es etwas anders aus: Denken wir zum Beispiel an den legendären VW Käfer, dessen runde Scheinwerfer wie große, freundliche Augen wirken. Dieses Gesicht hat Generationen begeistert und wirkt bis heute sympathisch. Oder der Citroën 2CV, die „Ente“, die mit ihren schmalen, leicht schielenden Scheinwerfern einen unschuldigen, fast kindlichen Eindruck hinterlässt.





Auf der anderen Seite der Skala finden wir Autos wie den Pontiac GTO „The Judge“ aus den 60er Jahren, dessen schmale, scharf gezeichnete Scheinwerfer einen grimmigen und entschlossenen Ausdruck haben – das perfekte Gesicht für einen Straßenkämpfer. Ein weiteres Beispiel ist der Jaguar E-Type, dessen langgezogene Front und ovalen Scheinwerfer Eleganz und Überlegenheit ausstrahlen. Der Porsche 911, dessen Design bis heute weiterentwickelt wird, zeichnete sich schon damals durch seine runden, fast hypnotischen „Augen“ aus.
Charmebolzen und Rebell
Und wie könnte ich den Fiat 500 vergessen? Seine runden Augen und der sanfte Lächeln seines Kühlergrills machen ihn zu einem der freundlichsten Gesichter der automobilen Geschichte. An dieser Stelle sende ich liebe Grüße an Angie und Robert mit Luigi in Peißenberg, Roland auf der Schwäbischen Alb und Erich in Gressenich. Im Gegensatz dazu steht der Chevrolet Camaro der ersten Generation, dessen markanter Blick mit schmalen, fast finster dreinschauenden Scheinwerfern das Image eines Rebellen verkörpert.

Auch modernere Fahrzeuge wie der Mini Cooper oder der Mazda MX-5 greifen bewusst auf Designs zurück, die Emotionen und Sympathie auslösen. Während der Mini mit seinen großen runden Scheinwerfern weiterhin Fröhlichkeit vermittelt, strahlt der MX-5 mit seinen schmaleren, leicht hochgezogenen Augen pure Fahrfreude und Dynamik aus.





Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen – jeder von uns hat wahrscheinlich ein Lieblingsmodell mit einem Gesicht, das uns besonders anspricht. Automobildesign ist eben mehr als reine Funktionalität: Es ist ein Spiegel unserer Emotionen, unserer Vorlieben und manchmal auch unserer Fantasie.