Mein Maserati Biturbo 222 E: Italienischer Charme mit Ecken und Kanten
Es gibt Autos, die sind einfach nur Autos. Sie bringen uns von A nach B, ohne viel Aufsehen zu erregen. Es gibt Traumautos, die jeder haben will. In Deutschland kommen diese zumeist aus Stuttgart und heißen Porsche oder Mercedes-Benz. Und dann gibt es noch Autos, die faszinieren, aber trotzdem will sie keiner haben. „Gegen den Strich-Oldtimer“ nenne ich diese Stiefkinder des Mainstreams gerne – oder Autos, für die du Mut und Gottvertrauen brauchst. Genau so einer ist der Maserati Biturbo 222 E – ein kantiges Coupé, das mit seiner Exklusivität, seinem Charakter und ja, auch seinen kleinen Macken genau meinen Geschmack trifft. Nach mehreren Jahren bei mir, wechselte der betörende Dreizack vor kurzem in die Sammlung eines Freundes. Eigentlich hat der aber nur Sportwagen aus Zuffenhausen in der Garage. Jetzt nicht mehr.

Heute erzähle ich euch nicht nur die Geschichte meines Gran Turismo, sondern auch die spannende Historie des Maserati Biturbo – eines Autos, das die italienische Marke mit dem Dreizack in den 1980er Jahren gerettet hat.
Eine Begegnung mit der Vergangenheit
Schon beim ersten Anblick meines Maserati spürte ich förmlich den automobilen Zeitgeist der 1980er Jahre. Klare Linien, scharfe Kanten und ein schnörkelloses Design, das irgendwo zwischen Sportwagen und Luxuslimousine schwebt. Der Innenraum? Einfach typisch italienisch: Alcantara-Sitze, eine elegante Analoguhr mitten im Armaturenbrett (mit eigenem Lichtschalter!) und diese Holzapplikationen, die dem Auto einen gewissen Retro-Charme verleihen. Für mich ein Traum.

Als ich mich zum ersten Mal hinter das Steuer setzte, war ich sofort begeistert. Die Platzverhältnisse sind großzügig, die Sitzposition perfekt sportlich, aber trotzdem bequem. Die Lenkung reagiert direkt, die Schaltung ist knackig – genau so, wie man es sich bei einem italienischen Sportwagen wünscht. Das war der Moment, in dem mir klar wurde: Dieses Auto ist etwas ganz Besonderes.
Der Blick zurück nach vorn: Der Biturbo rettet die Marke Maserati
Der Maserati Biturbo ist mehr als nur ein Auto – er ist ein Stück Automobilgeschichte. Anfang der 1980er Jahre befand sich Maserati in einer existenziellen Krise. Die Marke, bekannt für ihre exotischen und leistungsstarken Sportwagen, war finanziell stark angeschlagen. Alejandro de Tomaso, ein argentinischer Geschäftsmann und Rennfahrer, übernahm das Unternehmen und setzte auf ein völlig neues Konzept: einen kompakten, luxuriösen Sportwagen, der auch für eine breitere Kundenschicht erschwinglich sein sollte.
Vorgestellt wurde der Biturbo der Presse anlässlich des 67. Geburtstages der Marke am 14. Dezember 1981: die erste komplette Neuentwicklung Maseratis seit den 1950er-Jahren. Meine Version, der Biturbo 222 E, erschien 1988 und wies als Exportmodell nun 2,8 Liter Hubraum, Einspritzung und drei Ventile pro Zylinder auf. 225 PS leistete der weiterhin zwangsbeamtete (Ladedruck 0,5 bar) V6-Motor, bei einem Gewicht von 1306 kg.

“Der Maserati Biturbo war schon immer ein außergewöhnliches Auto. Das liegt einerseits an seinem nicht alltäglichen Konzept – er ist Sportwagen, Kompakt-limousine und Luxusfahrzeug in einem – , aber sicherlich auch daran, dass er seine Stärken und Schwächen selbstbewusst zeigt, ja sogar richtiggehend kultiviert. Wohl auch deshalb wirkt er nach wie vor attraktiv, obwohl er als Baumuster sichtlich und spürbar schon etliche Jährchen auf dem Buckel hat. Der neue 2,8-Liter-Motor sorgt jedenfalls dafür, dass der Biturbo zumindest fahrleistungsmäßig nach wie vor ganz vorn dabei ist”, fasste in der Schweiz die Automobil Revue 1989 ihre Eindrücke zusammen.
Mit seinem kantigen Design war er ein Kind der 80er, aber was ihn wirklich besonders machte, war der Motor. Der Biturbo war das erste Serienfahrzeug mit einem V6-Motor und zwei Turboladern, was ihm eine beeindruckende Leistung und Dynamik verlieh. Dieses Konzept machte den Biturbo einzigartig und half Maserati, sich von den traditionellen Konkurrenten wie Ferrari und Porsche abzuheben.
Doch der Weg war nicht ohne Hindernisse. Trotz seines innovativen Ansatzes und seiner luxuriösen Ausstattung kämpfte der Biturbo mit technischen Problemen. Der mitten zwischen den beiden Zylinderbänken platzierte Vergaser der Anfangsjahre kam mit der Hitze dort kaum zurecht und die in den Ölbohrungen der Zylinderköpfe eingebauten Filter setzten sich irgendwann zu – dann hieß es, bitte einmal Motorrevision, da der Ölkreislauf zusammengebrochen war. Diese Schwächen brachten ihm in Italien den wenig charmanten Spitznamen „Mülleimer“ ein. Trotzdem war der Biturbo ein Erfolg: Er sicherte das Überleben von Maserati und führte zu einer Vielzahl von Derivaten, darunter auch mein Maserati Biturbo 222 E.
Das Herzstück: Ein Motor, der begeistert

Unter der Haube meines Maserati schlummert ein 2,8-Liter-V6, unterstützt von zwei Turboladern, die dem Auto eine beeindruckende Leistung von 225 PS verleihen. Die besondere Neuerung des 222 E war dieser Motor, der die werksinterne Bezeichnung Tipo AM 473 trägt. Die Automobil Revue nahm sich diese Variante vor und notierte 6,9 Sekunden für den Spurt von 0 bis 100 km/h und eine Spitzengeschwindigkeit von 227 km/h (auf dem Tacho waren dabei 259 km/h abzulesen!). Das war in den späten 80ern schon eine echte Ansage – nicht nur eine Anzeige.
So richtig kommt der Maserati auf kurvigen Landstraßen zur Geltung. Sobald alle Flüssigkeiten ihre Betriebstemperatur erreicht haben, setzen die Turbos ihre Kraft mit einer Eleganz frei, die mich jedes Mal aufs Neue begeistert. Dieser sanfte aber nachhaltige Schub, der unaufhaltsam Richtung Horizont zieht – ein Gefühl, das ich nicht mehr missen möchte.

Warum ich ihn liebe – und was mich manchmal verzweifeln lässt
Ich hatte schon immer eine Schwäche für italienische Wagen. So war mein erstes Auto auch kein VW Käfer oder Opel Kadett, sondern ein italienischer Autobianchi A 112. Da lernst du schon in jungen Jahren, dass das Wort Auto mit Au beginnt und mit O aufhört und dazwischen viel Geld kostet. Aber wenn der rote A(pparat) 112 mal lief, war das alles vergessen.
Doch zurück zum Maserati. Der 222 ist eines der zahlreichen, Experten sagen mehr als 30 (!) Derivate des Biturbos. Das macht ihn einfach exklusiv: Die Exportversion des 222 mit 2,8 Liter Hubraum wurde nur rund 300 Mal gefertigt. Dagegen ist fast jeder Serien-Porsche ein Volumenmodell. Kaum einer kennt das Auto, wie die ungezählten Fragen nach Typ und Marke immer wieder zeigen. Und noch ein paar andere Dinge machten diesen Maserati für mich unwiderstehlich: Sein in Deutschland technisch zweifelhafter Ruf, der ihm immer noch hinterher läuft. Der Maserati 222 ist alles andere als Mainstream. Dazu seine filigran-sanfte Kraftentfaltung. Und versucht mal als Ungeübte die Motorhaube zu öffnen. Auch diese Kunst der Verriegelung kann nur aus Italien kommen.

Die Stärken meines Maserati
- Exklusivität: Mein 222 E ist eines von nur etwa 300 gebauten Exemplaren der Exportversion – und genau das merkt man. Egal wo ich auftauchte, der Wagen fiel trotz oder gerade wegen seines Understatements auf. Immer wieder wurde ich gefragt, um welches Modell es sich handelt. Manche dachten sogar, es wäre ein „3er BMW“ – aber solche Missverständnisse nehme ich mit Humor.
- Fahrspaß: Egal, ob ich durch die Weinberge des Elsass cruiste, die Höhen der Vogesen erklomm, gemütlich am Gardasee entlangfuhr oder durch Schweden glitt– der Maserati machte jede Reise zu einem fast sinnlichen Erlebnis.
- Charakter: Der 222 E hat Ecken und Kanten, und genau das macht ihn so besonders. Er ist kein Mainstream – und das liebe ich.

Die Schwächen – auch die gibt es
Natürlich hat mein Maserati auch seine Launen. Manchmal treibt er mich in den Wahnsinn, besonders wenn die Elektrik mal wieder nicht so funktioniert, wie sie sollte. Und es gibt ein paar klare Einschränkungen:
- Alltagstauglichkeit: Nein, das ist kein Auto für den täglichen Gebrauch. Dafür ist er mir einfach zu schade – und ehrlich gesagt, auch zu anspruchsvoll.
- Klimaanlage: Ich musste höllisch aufpassen, dass ich die Klimaanlage nur im Leerlauf einschaltete. Andernfalls könnte ein kapitaler Motorschaden drohen – der Zahnriemen mag es nämlich gar nicht, wenn der Kompressor bei hohen Drehzahlen anspringt. Solche Insider-Tipps gab es bei einer Oldtimerreise zufällig vom ehemaligen Typenreferenten des Biturbo Clubs.
- Verbrauch: mehr als 14 Liter Super-Plus auf 100 Kilometer – das ist nicht gerade sparsam. Aber hey, bei einem solchen Auto schaut man nicht auf den Verbrauch, sondern auf den Fahrspaß.

Liebevolle Pflege und Wartung
Um meinen Maserati in Schuss zu halten, habe ich einiges getan. Ich habe ihm zusätzliche Motor- und Hinterachs-Ölkühler spendiert, um ihn vor Überhitzung zu schützen. Eine große Inspektion mit neuem Zahnriemen und Wasserpumpe waren zweimal fällig – und ehrlich gesagt, hätte ich für den Preis auch einen kompletten Oldtimer kaufen können. Aber das war es mir wert.
Außerdem schmiert jetzt 15W-50-Rennöl den Motor – eine kleine, aber feine Verbesserung, die ich mir nicht nehmen ließ. Solche Details machen für mich den Unterschied und sorgen dafür, dass ich viel und lange Freude an meinem Maserati hatte.
Unsere Ausfahrten
Mein Maserati und ich haben schon einiges erlebt. Eine meiner schönsten Erinnerungen ist die Reise durch das Elsass. Auf den Spuren von Bugatti cruisten wir durch die Weinberge, erklommen die Vogesen und genossen die malerische Landschaft. Dabei lief der Maserati wie ein Uhrwerk – bis auf eine Kleinigkeit: Es war so heiß, dass sich der Kleber des Innenspiegels löste und der Spiegel einfach herunterfiel. Aber solche Anekdoten gehören dazu.

Touren durch das Altmühltal bei durchwachsenem Wetter und durch das Oberfränkische oder rund um den Gardasee lassen sich am besten mit den Worten „Fahrfreude pur“ charakterisieren. Auch unvergessen der erstaunte Kommentar eines Besuchers der Bremen Classic Motorshow beim Anblick meines Maseratis: „So einen 3er BMW habe ich ja noch nie gesehen!“
Und mit meinem Biturbo ging es weiter durch Europa. Gut zwei Wochen lang fegten wir rund um den Saaler Bodden und über Rügen, durch Dänemark und Südschweden. Kurios aber wahr – ohne ein einziges Problem. Und rund um die Brenta Dolomiten, den Molvenosee oder den Rosengarten (hier sogar im Schnee) spulte der Maserati Kilometer um Kilometer klaglos ab. So klaglos, dass am Molvenosee der Transfer ins Schwabenland klar gemacht wurde. Wenn das nicht mal ein großer Fehler von mir war?

Fazit: (M)ein Traum auf vier Rädern
Der Maserati Biturbo 222 E ist für mich mehr als ein Auto. Er ist ein Stück italienische Geschichte, ein Lebensgefühl und ein treuer Begleiter für besondere Momente. Wenn ihr auf der Suche nach einem einzigartigen Klassiker seid, der genauso viel Charakter wie Charme hat, kann ich euch den Maserati nur ans Herz legen. Aber denkt daran: Ein bisschen Pflege, Geduld und Liebe braucht er schon. Doch glaubt mir – es lohnt sich!
