Marmor, Stein und Schaltgestänge bricht (Teil 2)

Schalten und walten, mit oder ohne Zwischengas, mit oder ohne akustische Signale an die Umwelt, denn Schalten ist bekanntlich kein Geheimnis! Die Wahl des richtigen Ganges ist in den allermeisten Oldtimerfällen gar kein Problem und auf den Touren ist das Rühren im Getriebe meist ein purer Quell der Freude für den Fahrer. Meistens. Aber nicht, wenn die mechanische Verbindung zwischen Schalthebel im Cockpit und dem Getriebe plötzlich und unerwartet unterbrochen wird. Dann bleibt bei allen Pferdestärken unter der Haube der Vortrieb auf der Strecke. Normalerweise geht’s jetzt mit dem Abschlepper in die Werkstatt. Oder man ist mit Udo und Kumpanen unterwegs, dann konnte man sich auch schon mal den Jahresbeitrag bei den Gelben Engeln sparen. Aufregend war’s dabei doch immer. Marmor, Stein und Schaltgestänge bricht, aber unsere Liebe zum Oldie nicht. Hier jetzt das zweite Kapitel der Geschichte…

Vorfreude auf das traditionelle „Fahr-dich-glücklich-Griifest“ zu Pfingsten

Es ist Pfingsten und wir sind an der mecklenburgischen Ostseeküste mit unseren Klassikern unterwegs. Die Sonne lacht, die Temperaturen sind für Mensch und Maschine angenehm und diese Anekdote stammt noch aus der Zeit, als Corona nur aus Flaschen getrunken wurde und Masken nur zu Karneval und in der Fastnacht angesagt waren. Das Frühstück im wunderbaren Hotel Blinkfüer zwischen Bodden und Ostseestrand in Dierhagen mundete den Gästen und froh gelaunt machten wir uns auf den Weg in Richtung Seenplatte.

Der BMW 315 erreicht ohne Probleme Zingst.

Traditionell steuern wir zum privaten Grillfest am Pfingstsonntag das Hofcafè Klinder in Dahmen am Malchiner See an. Seit Jahren ist das sowohl für uns, als auch für Familie Klinder ein Fixtermin im Kalender. Herr Klinder bedient routiniert den Grill, während das Damen-Team um Frau Klinder leckere Salate zubereitet und für einen aufmerksamen und freundlichen Service mit Warm- und Kaltgetränken und nicht zu vergessen, mit sagenhaft leckeren Torten sorgt. Meine Vorfreude ist groß, denn bei diesem Kaiserwetter werden wir es uns im liebevoll dekorierten Café-Garten gut gehen lassen.

Doch halt, wir sind ja noch nicht da. Gemütlich durchstreifen wir die leicht hügelige Landschaft mit ihren traumhaften Alleen, großen Feldern, auf denen jetzt der Raps in voller Blüte steht, und gemütlichen kleinen und etwas größeren Ortschaften. Fast haben wir das Gefühl, ganz allein unterwegs zu sein. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass zu Pfingsten der berühmte Bergpreis in Teterow ausgefahren wird, eines der größten Motorradsportereignisse damals in der DDR.

Christoph läßt die 34 PS des Sechszylinder fliegen, Walburga grüßt freundlich.

Vor der „Erbmühle“ legt der Vorkriegs-BMW seine unfreiwillige Pause ein

Wir nähern uns aus nord-östlicher Richtung Teterow über die kleine Landstraße von Levitzow in Richtung Thürkow, wo die Landstraße in die Bundesstraße 108 mündet. „Links abbiegen auf die B 108 Richtung Teterow“, funke ich den anstehenden Richtungswechsel durch. Knapp 25 Kilometer vor dem Fahr-dich-glücklich-Grillfest steigen Vorfreude und Appetit. Doch dann klingelt das Handy. „Fahr mit der Gruppe schon mal vor. Der Vorkriegs-BMW ist liegen geblieben. Andreas schaut, was er machen kann. Ich melde mich wieder“, informiert Tina mich. Sie und Andreas sind treue Begleiter und erfahrene „Problemlöser“ auf den HistoTouren. Kurz vorm Abbiegen auf die Bundesstraße wollte der BMW 315 von Walburga und Christoph nicht mehr weiter. Gegenüber vom Gasthof „Zur Erbmühle“ nimmt er einen, zugegeben repräsentativen aber unfreiwilligen Parkplatz ein.  

So schnell hat einen auch am Pfingstsonntag der Defektteufel wieder eingeholt. Wäre ja auch zu schön gewesen! Ich informiere die noch fahrenden Gäste per Funk über das aktuelle Geschehen und hoffe dabei, dass wir nicht den Abschleppanhänger, der beim Hotel parkt, holen müssen, um den BMW 315 aus dem Jahr 1935 zu bergen.  Der 315 hatte schon einen Reihensechszylinder mit zwei Solex-Flachstromvergasern und 1490 cm³ Hubraum unter der Haube, der 34 PS leistete. Die Motorkraft gelangte über ein Vierganggetriebe mit Mittelschaltung und eine Kardanwelle an die Hinterräder.

Warten auf die Fähre: Christoph steht gerne Rede und Antwort zu seinem 315er BMW.

Die „Vier von der Bordsteinkante“

Und hier lag das Problem, dass Andreas nicht nur schnell lokalisierte sondern auch behob. Wie schon gesagt, dies alles an einem Pfingstsonntag am Straßenrand irgendwo im Nirgendwo. Man schleppt als Organisator einer Oldtimerreise ja immer ziemlich viel „Zeug“ im Servicewagen mit, in der Hoffnung es niemals zu benötigen. Schrauben, Unterlegscheiben und Muttern in vielen Größen, sogenannte Reparaturhelfer wie breites Tape oder Locheisen oder Kabelbinder. Nun ja, in diesem Fall lohnte sich der Griff in die Tiefen der Kiste mit den Reparaturhelferlein. Andreas stellte fest, dass ein Kugelgelenk des Schaltgestänges dem Zahn der Zeit Tribut gezollt hatte. Ja, es hatte ja auch schon mehr als 80 (!) Jahre auf dem Buckel. Durch sein langjähriges und erfolgreiches Motorsport-Engagement war Andreas gewohnt zu improvisieren. Klar, denn Christoph und Walburga führten das notwenige Ersatzteil nicht mit, warum auch, hat doch bisher immer gehalten.

Tina und Andreas (immer mit Funkgerät!)

Mit Locheisen und –bleck sowie einigen Schrauben stellte Andreas gekonnt wieder eine funktionsfähige Verbindung zwischen Schalthebel und Getriebe her. Und siehe da, der betagte BMW kam wieder von selbst von der Stelle.

Als die „Vier von der Bordsteinkante“ beim Grillen ankamen, waren Andreas, Tina, Christoph und Walburga natürlich die Helden des Tages. Immer wieder mussten sie ihre Geschichte von der Episode vor der „Erbmühle“ erzählen. Und als Veranstalter ist man froh und glücklich, so ein tolles Team zu haben.

Andreas erklärte Christoph noch, dass sein Provisorium zwar stabil ist, er damit nach der Heimreise möglichst umgehend zur Reparatur in die Werkstatt solle. Christoph hörte das zwar, hatte aber seine eigenen Pläne. Nach der Heimkehr nahm er mit dem provisorisch reparierten Klassiker noch an einer Oldtimer-Rallye teil. Ohne Probleme übrigens. Erst in der Winterpause brachte er seinem BMW 315 nach Braunschweig in die Werkstatt von Andreas. Was wieder eine alte Weisheit belegt: Nichts hält länger als ein gutes Provisorium. Allerdings möchte ich zum Abschluss noch darauf hinweisen, dass ich diese Sorglosigkeit nicht zur Nachahmung empfehle.

Christoph „Dr. Steelhammer“, diesmal in seiner Aurelia.

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