Willkommen statt Fahrverbot: 170 französische Orte öffnen sich für Oldtimer

Während Paris und andere französische Ballungsräume mit immer mehr Umweltzonen historische Fahrzeuge aussperren, geht ein Netzwerk von mittlerweile 170 Städten und Dörfern den entgegengesetzten Weg. Mit dem Label „Villes et Villages d’Accueil des Véhicules d’Époque“ (Städte und Dörfer, die historische Fahrzeuge willkommen heißen) schaffen sie bewusst Refugien für Oldtimerliebhaber.

Die Ausgangslage ist ernüchternd: Frankreich hat seit 2022 rund 25 Gebiete als „Zone à Faible Émissions“ (ZFE) ausgewiesen. Für die Einfahrt benötigen Fahrzeuge eine Crit’Air-Umweltvignette entsprechend der Euro-Norm 1 bis 6. Klassische Automobile, die nicht unter diese Normen fallen, bleiben außen vor. Fahrzeuge, die vor 1997 zugelassen wurden, erhalten grundsätzlich keine französische Umweltvignette.

(Foto: Commune d’Alaincourt)

Eine Initiative aus der Praxis
Yves Bergeret, ehemaliger Präsident des Oldtimer-Clubs von Beaune und Delegierter des französischen Oldtimer-Dachverbands FFVE, sah sich zu einer Gegenmaßnahme gedrängt. In einem Gespräch mit der Online-Plattform zwischengas.com beschreibt der ehemalige Advokat seine Motivation: „Wir wollten Orte und Ortschaften gewinnen, die sich zum historischen Fahrzeug bekennen und dessen Potential wertschätzen.“

Die Corona-Pandemie hatte in Frankreich vielen Kleinbetrieben schwer zugesetzt. Gleichzeitig erkannte Bergeret das wirtschaftliche Potenzial der Oldtimer-Szene, da es sich die Freunde von historischen Fahrzeugen nicht nur in Frankreich in der Regel gut gehen lassen und bei ihren Ausfahrt gerne in die örtliche Gastronomie einkehren.

Klare Spielregeln für Oldtimer gastfreundliche Gemeinden
Um das begehrte Label zu erhalten, müssen Kommunen konkrete Voraussetzungen erfüllen:

Grundausstattung:

  1. Ausgewiesener Parkplatz im Ortszentrum für historische Fahrzeuge
  2. Informationsbroschüre mit praktischen Tipps zu Hotels, Restaurants, Werkstätten und Sehenswürdigkeiten
  3. Genehmigungsbereitschaft für Oldtimer-Veranstaltungen
  4. Unterstützung touristischer Ausfahrten und Rallyes
(Foto: FFVE)

Qualitätsstandards:

  • Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort
  • Kulturelle Angebote und Museen
  • Werkstatt für eventuelle Reparaturen
  • Fester Ansprechpartner in der Gemeindeverwaltung

Von großem Vorteil ist der lokale Ansprechpartner für die Organisatoren von Oldtimerausfahrten, weiß Bergeret. Denn es ist ein Riesenvorteil, wenn in einem Ort eine Person dafür zuständig ist, wo beispielsweise eine Gruppe von 50 historischen Fahrzeugen parken darf.

Erfolg auf ganzer Linie
Die Resonanz übertrifft alle Erwartungen. Schon zum Start der Initiative im Juni 2024 waren bereits 120 Ortschaften dabei, bis zum Jahresende wuchs das Netzwerk auf 170 Destinationen. Die gesamte Karte Frankreichs ist mittlerweile mit entsprechenden Markierungen bestückt.

(Foto: FFVE)

Die Vorteile sind vielfältig:

  • Oldtimerbesitzer finden gezielt gastfreundliche Reiseziele
  • Kommunen profitieren von einer neuen Tourismusgruppe
  • Der FFVE bewirbt die teilnehmenden Orte aktiv
  • Die lokale Wirtschaft wird durch kaufkräftige Oldtimer-Touristen belebt

Mehr als nur Symbolpolitik
Was zunächst als einfache Geste anmutete, entwickelte sich zum medienwirksamen Ereignis. Übergabezeremonien mit dem Bürgermeister im historischen Cabriolet schaffen es bis in die regionalen Nachrichtenkanäle. Die teilnehmenden Gemeinden erhalten spezielle Hinweisschilder für die Ortseingangs- und -ausgangsstraßen sowie eine Plakette für die Ortstafel.

Ein Modell mit Zukunft
Das Label „Villes et Villages d’Accueil des Véhicules d’Époque“ zeigt: Umweltschutz und Kulturerhalt müssen sich nicht ausschließen. Während Großstädte aus nachvollziehbaren Gründen auf Umweltzonen setzen, können kleinere Gemeinden das automobile Kulturerbe als Chance begreifen.

Die Initiative verbindet geschickt mehrere Aspekte: Sie bewahrt Traditionen, stärkt den ländlichen Tourismus und bietet Oldtimerliebhabern eine konstruktive Alternative zu den verschärften Umweltauflagen in den Metropolen. Ein Beispiel, das durchaus Schule machen könnte – auch jenseits der französischen Grenzen.

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